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AutorenbildSyelle Beutnagel

Wildpferde

Aktualisiert: 11. Juli 2021

Als ich ein Kind war, träumte ich davon, wenn ich groß wäre, in die Carmargue zu reisen und die wunderschönen weißen Pferde zu beobachten. Damals war ich keine zehn Jahre alt und das Wort Internet gab es, wenn überhaupt, nur unter wenigen Wissenschaftlern.

Die Pferde leben in der Carmargue in Südfrankreich frei und ungebunden in der Landschaft, und werden nur einmal im Jahr eingefangen. Diese frei Lebensweise in eigenständig gebildeten Familienverbänden kommt der von Wildpferden sicher am nächsten. Aber was unterscheidet ein Wildpferd von einem Hauspferd?

Ich lasse das einmal so stehen und erzähle lieber, was aus meinem Traum wurde.

Als ich erwachsen war, trieb es mich mal wieder in meine Lieblingsgegend: Venedig. Da ein längerer Aufenthalt mit weiteren Ausflügen geplant war, lag die Unterkunft in der Nähe von Comacchio. Um zwischen den beeindruckenden Mosaiken in Ravenna und den nicht weniger faszinierenden Gemälden in den Scuolen in Venedig nicht völlig den Kopf zu verlieren, war ein Tag Natur unumgänglich.

Und da bot sich ein Naturschutzgebiet ganz in der Nähe an. Nur wenige Kilometer Entfernung und man befindet sich schon im Gebiet des Po-Deltas. Heute sind weite Gebiete der Naturlandschaft geschützt, aber schon damals berührte mich diese Landschaft. Ein weitläufiger Pinienwald mit fast überall feuchtem Untergrund schien sich endlos hinzuziehen. Dieser Umstand und der Regen der letzten Tage brachten es an den Tag: Pferdespuren. Nicht von einem Pferd, sondern mehreren. Nicht sortiert nebeneinander, sondern durcheinander. Die Hufspur folgte den Pfaden durch den Wald. Ich wünschte mir heftig, die Pferde zu den Spuren zu sehen. Doch lange passierte nichts.

Nun hat ein Pinienwald wirklich gar nichts mit einem deutschen Nadelwald gemeinsam, und schon gar nicht dieses Feuchtgebiet und so fand man sich unverhofft auf einer Wiese, einer Lichtung im Wald wieder. Ich an einem Rand, und ein Gruppe von Pferden am anderen Rand.

Was für ein Augenblick. Was für ein Anblick. Vor Jahrzehnten hatte man einige Carmargue-Pferde ins Po-Delta gebracht und dort sich selbst überlassen. Ihre Aufgabe ist es, Überwucherung zu vermeiden. Ihre Isolierung und freie Lebensweise führte dazu, dass sich eine eigene Rasse bildete, das Po-Delta-Pferd. Und ich muss sagen, an das Carmargue-Pferd habe ich bei ihrem Anblick nicht gedacht. Obwohl, bei genauer Betrachtungsweise, der Körperbau noch sehr daran erinnert.

Ich indessen war voller Glück, als ich diesen Wildpferden so unverhofft gegenüber stand, und ging langsam, um sie nicht zu verschrecken, auf sie zu. Wie nahe kam ich ihnen! Was für ein besonderer Augenblick.

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