top of page
AutorenbildSyelle Beutnagel

Ein Name wie ein Ziel


Als diese Straße ihren Namen bekam, standen bestimmt andere Gedanken Pate. Aber für mich konnte dieses Straßenschild nicht passender sein: Autobahn der Freiheit.


Dabei wusste ich nicht, was mich erwarten würde. Wenige Hinweise im Internet machten zwar Mut, aber was wirklich geschehen würde, wusste keiner. Am späten Morgen waren wir losgefahren. Jetzt, ein gutes Stück hinter Berlin, sah ich das Schild: Autobahn der Freiheit. Noch ein kurzes, absehbares Stück bis zur Grenze. Wir wollten über die Autobahn ins Land und dann in die Stadt zum Polenmarkt. Ob uns das gelang?

Kurz vor der Grenze stieg die Anspannung. Auch zwischen uns. Wie wohl der andere reagieren würde?

Dann sahen wir die Grenzbauten. Und das war es auch schon. Im gemäßigten Tempo fuhren wir wie alle anderen Autos auch über die Grenze. Erleichterung. Freude. Ein paar Stunden Entspannung.

Der Polenmarkt in Slubice ist direkt hinter der Grenze. Wir waren spät dran. Darum kurz geparkt und los. Dann die nächste positive Überraschung. Menschen ohne Masken, ohne Abstandsregeln, ohne Stress und Panik. Es gibt sie schon, die Desinfektionsmittel an den Eingängen. Wenige Menschen tragen auch eine Maske, aber sehr wenige.

Die Menschen sind entspannt, man handelt wie in den letzten Jahren auch. Einige Stände sind geschlossen, aber das mag daran liegen, dass es spät und mitten in der Woche ist.

Sogar einen Kaffee und einen Imbiss bekommt man wie früher: hinsetzen, auswählen, bestellen, essen, genießen.



Ich genieße die Freiheit in vollen Zügen. Mein Körper und mein Geist blühen in nur einer Stunde auf. Erholungskurs. Dann müssen wir zurück. Diesmal fahren wir durch Slubice und dann über die Oderbrücke. Zurück ins Gefängnis. Beim Grenzübergang in der Stadt gibt es ein Testzentrum. Ein Mann sitzt davor auf einem Klappstuhl und schläft. Testen ist freiwillig. Wir fahren in Richtung Berlin zum Übernachten.



In Berlin könnte der Gegensatz größer kaum sein. Ein Stehcafé für das Frühstück ist noch immer geschlossen. In Geschäfte Zutritt meist nur mit PCR-Test, im Eingang des Supermarkts steht ein Wachhabender, der kontrolliert. Mitten zwischen den engen Regalen bekomme ich eine Panikattacke, muss den Laden verlassen.

Nach einer Weile geht es wieder. Berlin ist wie immer. Eine Stadt mit vielen einzelnen Originalen. Übergestülpt eine Glocke aus Angst und Unfreiheit.

Übertroffen wird dieser Gegensatz - allerdings lässt sich die zeitliche Nähe nicht toppen - nur noch von einem vollem Stadtbus bei einem Zwischenstopp in Magdeburg, in dem jeder in Reih und Glied eine Maske trug.


Text: Syelle Beutnagel

Fotos: Syelle Beutnagel



2 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Commenti


bottom of page