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AutorenbildSyelle Beutnagel

Die herzliche Macht der Sprache wiederentdecken



Das hätte ich mir damals nicht träumen lassen, dass ich mir heute freiwillig in einem Video über eine Stunde Werbung aus den 70ern und 80ern anschauen und Spaß daran haben würde.

Herzlich habe ich mich, allerdings auch damals schon, über die Mainzelmännchen gefreut, über die Werbung habe ich mich damals schon sehr geärgert, weil ich mich nicht manipulieren lassen wollte. Was Sprache und Rhetorik betraff, konnte man mich als ein wenig frühreif bezeichnen. So analysierte ich schon sehr früh, mit welchen rhetorischen Mitteln die Werbung arbeitete.

Genau das tat ich gestern auch wieder. Aber ich ging in meiner Analyse noch ein Stück weiter. Was wurde eigentlich beworben? Und wie sieht das im Vergleich zu heute aus? Oh ha, ich glaube, ich kratze nur mal an der Oberfläche. Zuvor muss ich aber eines sagen, nicht eines der Produkte habe ich bis heute gekauft, das macht mich etwas stolz. Warum? Lest selbst.


1. Welche Produkte wurden, in diesem Video beispielhaft, beworben?

Es war die Stunde der Fertignahrung, Limonaden, Fluorzahncremes und auffallend viel Kaffeewerbung

Aus heutiger Sicht mit Gruseln stellte ich fest, wie teure, zuckerhaltige und wenig Frisches enthaltene Fertigprodukte der damals modernen Hausfrau untergejubelt wurden.

Da kommt zum Beispiel eine junge Frau auf einer Familienfeier mit einem Tablet mit einem Fertigobstquark aus dem Supermarkt und wird von der Mutter sanft gerügt: Das hätte man auch selbst machen können.

Die Tochter in etwa: Das ist so lecker, das kann man nicht selber machen.

Die Mutter in etwa: Du verwöhnst uns.

Die Werbung lief damals jahrelang. Heute weiß man, wie dieser ach so gesunde Fertigquark produziert wird.

Der gleiche Tenor bei einem Produkt, das heute etabliert ist. Nur dass heute jeder weiß, dass das nicht gesund ist. Der jungen modernen Hausfrau wird wirklich jeder Geschmacksnerv gekitzelt und so das schlechte Gewissen genommen: Die Dosensuppe ist die schnelle perfekte Lösung für die Familie.

Nur zwei Beispiele wie auf Frauen damals eingewirkt wurde. Aber es geht noch schlimmer: Die Emotionalität, die bei Limonaden geweckt wurde, hat mit Sicherheit bei vielen Kindern, die das Vorabendprogramm sahen, ihre Wirkung erziehlt. Limonaden, die bald mehr Zucker als Wasser enthielten und heute keine Chance mehr hätten.

Fragt man bei solch typischen Beispielen noch, woher das Übergewicht in der Gesellschaft kommt?


2. Die Rhetorik war damals simpler aber feiner und vor allem zielgruppengerichteter.


Heutige Werbung funktioniert anders. Zielgruppen werden feiner differenziert. Es wird mit psychologischen Tricks statt mit feinen rhetorischen Mitteln gearbeitet. Storytelling gibt es immer noch, aber je härter die Zeiten, desto härter die Story. Es bleibt, wie es immer war: Gut ist, nachzudenken, was einem da präsentiert wird. Denn leider ist es in unserer Wirtschaft immer noch sehr wichtig durch Werbung auf sich aufmerksam zu machen. Aber jeder sollte sich fragen: Was benötige ich wirklich und wo werde ich manipuliert? Keine leichte Aufgabe!

Anhand von Beispielen von früher möchte ich aber aufzeigen, was diese Werbung mit uns gemacht hat, und wo wir heute stehen, damit wir besser erkennen können, wie wir beeinflusst werden sollen. Und an diesem Punkt muss ich gestehen, war ich ein Kind meiner Zeit.

  1. Die Rhetorik unterschied sich viel leichter nach Zielgruppen: Männer, Frauen, Kinder, ältere Generation.

Beispiele für Werbung für Frauen und Kinder habe ich schon gebracht. Die Kaffeewerbung zielte auf die ältere Generation ab: sich jetzt etwas gönnen, was es damals nicht gab. Versicherungen schlossen damals i. d. R. Männer ab. Alles in diesem Bereich wurde sehr sachlich präsentiert, sonst war es nicht seriös, so der damalige Glaubensatz.

2. Die damalige Rhetorik spielte mit einfachen Mechanismen: Wiederholungen (3x), Pausen und einem griffigen Slogan.


Einfach und effektiv. Darum habe ich, als ich selber entscheiden konnte, den Ton abgeschaltet oder mir die Ohren zugehalten. Heute brauche ich das nicht mehr, weil ich seit über einem Jahr keinen Fernseher mehr habe und nirgenwo mehr Radio höre. Das hat solche positiven Auswirkungen auf mich, dass ich richtig zusammenzucke, wenn ich an einem Autoradio mit dem Hund vorbei muss. Also gut festhalten, wenn ich jetzt die etwas härteren Beispiele bringe.

3. Welche Produkte wurden damals beworben und heute....?


Nostalgisch, den Tränen nahe folge ich der Werbung für Autopflegeprodukte. Wo ist solche Werbung eigentlich hin? Ehm, Autofahren schadet der Umwelt sagt man? Sagt wer? Ehm, in den Achtzigern saßen einige Politiker strickend im Bundestag. Damals fuhren sie mit dem Fahrad dahin, heute mit dem Mercedes/Audi, ..... und fordern eine Abgasregelung. Aber es geht noch schlimmer.

4. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt...


Wer kann sich noch an die Esso-Werbung erinnern: Es gibt viel zu tun, packen wir es an!

Was wird in dieser Werbung eigentlich beworben? Als Kind hatte ich meine Schwierigkeiten, sie zu verstehen. Kein Wunder. Ich bitte jeden, sich diesen Spot noch einmal anzusehen und zu hinterfragen. Und dann einmal zu schauen, was in der Politik anfang der Neunziger geschah und dann einmal zu hinterfragen, was uns heute versprochen wird. Mich gruselte es, als ich die Werbung hörte, für die Zukunft. und mir wurde klar, wie wichtig es ist, Werbung, und überhaupt alles, zu hinterfragen und überhaupt analysieren zu können.

Aber eigentlich träume ich von einer Welt, in der Rhetorik schöner eingesetzt werden kann, zum Wohle des Menschen und nicht zur Manipulation durch wirtschaftliche Interessen. Worte, Geschichten, Verse können die Menschen verzaubern, heilsam sein. Ich träume uns von einen guten Wandel für eine nachhaltige, gesunde Zukunft für uns alle.


Text: Syelle Beutnagel

Bild: George Desipris (pexels)


Ich beziehe mich zwar, auf ein spezielles Video auf Youtube, doch gibt es mehrere, ähnliche davon, die alle Schnitte aus der Zeit zeigen. Da ich 1972 geboren bin, kann ich mich noch sehr gut an die Werbung Ende der Siebziger bis Mitte der achtziger Jahre erinnern. Ich bitte jeden darum, sich ein eigenes Bild zu machen.

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